Google löscht Bewertungen von Schulen – wie kann gute Kritik bleiben?
Zum 30. April 2025 verschwinden sie: Google-Rezensionen über allgemeinbildende Schulen. Weltweit. Bereits abgegebene Bewertungen werden gelöscht, neue lassen sich nicht mehr abgeben – doch was können die Schulen tun, die ihre positiven Bewertungen behalten möchten? Oder für Meinungsfreiheit im Sinne von Demokratieförderung eintreten? Wichtig: das Timing ist blöd – nach den Osterferien könnte es zu spät sein, d.h. es muss jetzt gehandelt werden.
Die offizielle Begründung von Google für diesen Schritt? Man wolle „wenig hilfreiche oder scherzhafte Rezensionen“ vermeiden. Das klingt nach Schutz – ist aber in Wahrheit ein beunruhigender Eingriff in die digitale Meinungsfreiheit, oder?
Wer bewertet, sagt etwas über Bildungsqualität und Miteinander
Ob Eltern, Schüler:innen oder Lehrkräfte: Viele haben in den letzten Jahren ihre Erfahrungen mit Schulen auf Google geteilt. Manche Rezensionen waren emotional, andere sachlich. Manche ungerecht, viele differenziert. Und ja – einige auch albern. Aber das ist nun einmal das Wesen von Meinungsäußerung in einer offenen Gesellschaft: Sie ist bunt. Manchmal unbequem. Und grundsätzlich schützenswert.
Schulbewertungen sagen nicht nur etwas über Unterricht oder Ausstattung aus. Sie geben Hinweise auf das soziale Miteinander, den Umgangston im Kollegium, die Kommunikation mit Eltern oder den Umgang mit Vielfalt. Kurzum: Sie machen sichtbar, wie eine Schule lebt und arbeitet.
Gerade in einer Zeit, in der Partizipation und Mitbestimmung im Bildungsbereich stärker gefordert werden, sind solche Stimmen wertvoller denn je.
Google nimmt sich mit diesem Schritt aus der Verantwortung. Der Konzern, der so oft über „Nutzerzentrierung“ spricht, entzieht der Öffentlichkeit an genau jener Stelle das Wort, wo es besonders zählt: Bei der Bewertung von Schulen. Dies betrifft allgemeinbildende Schulen (Grund-, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien, etc.), aber weder Berufsschulen noch Universitäten, etc.
Ein Eingriff in den gesellschaftlichen Diskurs
Schulen sind keine Dienstleister im klassischen Sinne. Sie sind Orte des Lernens, der Persönlichkeitsentwicklung, der Teilhabe. Wenn über ihre Qualität nicht mehr öffentlich diskutiert werden darf, wird ein Raum geschlossen, der für demokratische Gesellschaften essenziell ist: der Raum für Kritik.
Besonders perfide: Auch positive Stimmen werden zum Schweigen gebracht. Schulen, die durchweg gute Bewertungen erhalten haben, verlieren diese Sichtbarkeit. Lob verschwindet genauso wie Kritik.
Doch es trifft nicht nur Schulen – es trifft auch jene, die oft keine andere Bühne haben: die Schüler:innen selbst. Für viele von ihnen war die Google-Bewertung ein niedrigschwelliger Weg, ihre Stimme hörbar zu machen. Gerade weil die meisten der jungen Menschen nicht in Schulkonferenzen sitzen und/oder sich nicht trauen, dort die Stimme zu erheben, war dieser Kanal ein digitales Ventil für Feedback, Frust – oder auch Dankbarkeit.
Wenn dieser Weg nun verschwindet, wird eine Lücke größer, die ohnehin schwer zu schließen ist: die der Partizipation junger Menschen.
Was bedeutet es also, wenn ein ohnehin in sich oft geschlossenes System wie Schule noch weniger transparent wird? Wenn Rückmeldungen gefiltert, Bewertungen gelöscht und Kritik im Keim erstickt wird? Es bedeutet: Die Gefahr wächst, dass sich Probleme hinter Fassade und Schulmauern verfestigen. Dass Vertrauen schwindet, weil Mitsprache fehlt. Und dass jene, die gehört werden sollten, zum Schweigen gebracht werden.
Transparenz? Was Schulen tun können, die ihre Bewertungen behalten möchten.
Schulen die ihre positiven Bewertungen behalten möchten, oder auch negative Kritik hinnehmen, weil sie für Meinungsfreiheit im Sinne von Demokratieförderung stehen, können durchaus etwas tun.
Die Kommunikationspolitik von Google ist dabei alles andere als vorbildlich. Nur wer sein Schulprofil z.B. über die Google-Business Funktionen selbst verwaltet, hat per E-Mail von dieser Richtlinienänderung erfahren. So auch ich, da ich die eine oder andere Schulwebsite und deren Google-Business-Eintrag für Google-Maps mal eingerichtet hatte.
Eine öffentlich einsehbare Richtlinienänderung zu der Sache? Fehlanzeige – zumindest aktuell lässt sie sich nicht finden.
Wenigsten weist der Button „Kategorie ändern“ darauf hin, dass das Löschen von Bewertungen verhindert werden kann, wenn der Administrator eines google-Schulkontos die Kategorie der Einrichtung ändert – etwa in „Bildungseinrichtung“ oder „Schulzentrum“ statt „allgemeinbildende Schule“. Eine öffentlich einsehbare Supportanfrage bestätigt diese Vermutung.
Dazu muss sich der jeweilige Schuladministrator als Google-Business-User einloggen und die Kategorie ändern. Problem ist: Viele Schulen haben gar keinen Zugriff auf ihren Google-Maps-Eintrag! Denn öffentliche, wie auch große wirtschaftliche Institutionen wurde von Google automatisch auf Googe-Maps eingetragen. Der Zugriff auf ein Schul- oder Geschäftsprofils kann allerdings beantragt werden.
Wer eine Anleitung dafür erhalten möchte, kann diese gerne über die Vereins-Website vom sii-talents e.V. anfordern (Versand der Anleitung i.d.R. innerhalb von 24-Stunden).
Nun: In einer Zeit, in der Vertrauen in Bildung, Institutionen und digitale Plattformen ohnehin unter Druck stehen, sendet Google damit ein fatales Signal: Erfahrungsberichte sind offenbar nur dann willkommen, wenn sie positiv sind. Kritik ist nicht gewünscht?
Was bleibt, ist ein fader Beigeschmack. Und die Frage: Wenn Schulen jetzt zum Bewertungs-Tabu werden – welche Branche oder welches Thema folgt als nächstes?
Dieser Schritt ist nicht nur eine Schwächung der Meinungsfreiheit. Er ist ein beunruhigender Präzedenzfall, der Fragen aufwirft zur digitalen Verantwortung(slosigkeit) globaler Plattformen.
Quelle neben der o.g. E-Mail: Supportanfrage auf Google
Hallo! Aus Sicht einer Gesamtschule kann ich nur sagen: endlich! Endlich verschwindet der Blödsinn, der mutwillig hinterlassen wurde. Endlich steht die Schule neutral und nicht vorbelastet da, und Eltern können Ihre Entscheidung aufgrund von Besuchen und Gesprächen und nicht durch unrealistische Bewertungen bilden. Eine Bewertung mit unwahrem Inhalt zu löschen stellte in der Vergangenheit zudem eine riesen Hürde dar. Wenn jemand seine demokratische Meinung öffentlich äußern möchte, kann er dieses auf seinen Portalen tun oder auch gerne – wie in „alten“ Zeiten – einen Leserbrief an die Zeitung verfassen. Das ist dann halt schwieriger, als nur einen Stern aus Wut oder Unzufriedenheit zu hinterlassen.